Runaway – Gerettet oder endlich vorbei?

Ein Point&Click Adventure wie eine Achterbahnfahrt: Runaway macht meiner Meinung nach vieles richtig, aber auch so richtig viel falsch. Wir haben die Trilogie vor Kurzem gespielt und sind jetzt bereit für ein Fazit. Welches ich persönlich daraus ziehe, lest ihr hier.

Fangen wir, sinnvollerweise, mit dem ersten Teil an. Runaway: A Road Adventure ist ein wie ich finde ziemlich solides Spiel. Als ich es damals das erste Mal gespielt habe, war ich durchaus überzeugt. Hier und da kleine Schwächen, die Story stellenweise etwas wild, im Großen und Ganzen aber nichts Besonderes. Begeistert hatten mich damals vor allem die Rätsel, die stellenweise schon genialen Ideen und vor allem die Grafik und die gelungene Mischung aus 2D und 3D.

Es ist ein wilder Grafikstil, den ich anders nicht beschreiben kann

Die Story an sich ist schnell erklärt: man fährt mit dem Auto durch die Straßen New Yorks, überfährt fast eine junge, wunderhübsche Frau und bringt sie ins Krankenhaus. Man erfährt, dass sie von der Mafia gejagt wird und will ihr helfen, den letzten Wunsch ihres Vaters zu erfüllen: wir müssen ein Geheimnis vor den Bösen beschützen.

Natürlich gibt es einige Vorfälle, die unseren Weg kurvenreicher machen als ursprünglich geplant, natürlich gibt es den ein oder anderen Plotttwist und die ein oder andere Enthüllung. Eine gute Story, aber wie gesagt nichts weltbewegendes. Den meisten Spaß hatte ich während des Spiels mit den Mechaniken und den Rätseln.

Das Farbenrätsel im ersten Teil ist knackig – aber sehr spannend

Wie in Point&Click Adventures üblich, findet man nicht einfach alles so. Man muss es sich irgendwie zusammenbauen, Tricks erfinden oder Leute beeinflussen, etwas für einen zu tun – klassischerweise immer verbunden mit langwierigen Gegenleistungen. Um einen Überblick zu behalten, werden dann Pläne geschmiedet und im Inventar abgelegt – interagiert man mit Ihnen, wird der aktuelle Stand beschrieben und welche Teilpunkte (z.B. Ablenkung, anschließende Flucht usw.) schon erledigt sind. Fand ich sehr hilfreich.

Das Inventar von Runaway eins und zwei Empfand ich dabei als besonders hübsch. Ein neutraler Erdton als Hintergrund, die Items, und rechts eine Öffnung, aus der der Protagonist herausschaut und die Kombinationsversuche durchführt oder spöttisch bewertet – dieser Bruch der vierten Wand hatte mich schon vom ersten Durchspielen überzeugt.

Das Inventar ist für mich bis heute unerreicht gut

Alles in allem muss ich sagen, hat mir Teil eins immer schon sehr gut gefallen. Es gibt natürlich immer Kritik an allem, ich persönlich teile die hier aber eher wenig.

Ganz anders sieht es mit Teil zwei aus: The Dream Of The Turtle. Ich weiß beim besten Willen nicht, was hier alles schief gelaufen ist, aber nehmen wir mal die drei wichtigsten Punkte, die das Spiel komplett zerstört haben:

  • Der Protagonist. Brian war im ersten Teil ein unbeholfener Nerd, der mit Gina eine wunderschöne Frau an die Seite gestellt bekam. Er Bücherwurm, sie erfahren in der echten Welt. Eine klassische Kombination, aber eben auch eine, die funktioniert. Im zweiten Teil hat sich das komplett gewandelt. Er ist ein lüsterner, arroganter Trottel geworden (imho), der sich selbst wichtiger nimmt als die Rettung seiner Freundin. Kaum Reue, kaum Selbstreflektion – alle guten Eigenschaften aus dem ersten Teil wie weggeblasen.
Wir haben unsere Freundin eigentlich abgeschrieben, sind schon mit anderen ins Bett gehüpft und haben Leute belogen, betrogen und in Gefahr gebracht: Zeit für eine kurze Selbstreflektion
  • Die Technik: ungenaue Hitboxen, stottrige Szenen, in denen zu viele Partikel fliegen, und mehrere Softlocks, weil bestimmte Dinge nicht getriggert wurden – es war alles zu lösen, aber definitiv ein Ärgernis
Alleine in diesem Areal hatten wir mindestens drei Bugs
  • Die Story. Die Sache mit den Aliens, die im ersten Teil mehr so ein Witz am Rande war, wird hier zur Hauptgeschichte. Interessante Idee, jedoch viel zu langatmig und umständlich umgesetzt. Das offene Ende macht die ganze Sache noch schlimmer: man will schon wissen, ob Gina jetzt gerettet wird oder nicht; man will aber so einen Teil auf keinen Fall nochmal spielen
Wieso ist hier auf einmal ein Alien?

Das ist eine sehr verkürzte Form, ich könnte mich stundenlang über dieses Spiel aufregen. Dazu kommen ja noch viele Kleinigkeiten, wie undurchsichtige Abhängigkeiten (du kannst Rätsel x nicht lösen wenn du Schild y nicht gelesen hast, obwohl du eigentlich schon alle Fakten kennst) oder allgemein die übertriebene Benutzung von Klischees. Es fühlt sich einfach allgemein wie ein riesiger Rückschritt gegenüber Teil eins an. Insgesamt nur empfohlen, wenn man die Witze aus Teil drei verstehen will. Und der kommt jetzt.

Meine Gedanken zu praktisch allen Characteren in Teil Zwei

Im dritten Teil, The Twist Of Fate, will man wohl irgendwie alles retten. Die Story ist schnell erklärt: Bryan hat angeblich am Ende von Teil zwei den Colonel umgebracht und ist in einer psychiatrischen Anstalt gelandet. Er täuscht seinen Tod vor und Gina will ihn finden.

Auch wenn die Story, wie schon in Teil eins, in vielen Punkten nicht allzu originell ist (wir werden natürlich wieder von der Mafia gejagt), ist sie doch ein Segen. An vielen Stellen erkennt man den verzweifelten Versuch der Entwickler, die Scheiße, die Teil zwei ihnen hinterlassen hat, irgendwie zu retten – und das gelingt überraschend gut. Teil drei fühlt sich richtig gut zu spielen an. Man fühlt mit den Figuren mit, möchte ihnen wieder helfen. Es gibt interessante Nebencharactere, die nicht nur ein beliebiges Klischee erfüllen, und all den klassischen Kram, den ein Point&Click eben ausmacht. Dazu eine überarbeitete Grafik und die Fähigkeit, auch aus Ginas Perspektive zu spielen – genial.

Gina muss wissen, was Bryan passiert ist

Das Spiel hat auch wieder eine einigermaßen sinnvolle Story, die natürlich glimpflich ausgeht. Es geht sehr selbstironisch mit dem zweiten Teil um, beispielsweise zu sehen in einem der Anstaltsinsassen, den man über den zweiten Teil so richtig lospoltern lassen kann. An sich mag ich Selbstreflektion sehr gerne, hier fühlt es sich leider manchmal ein bisschen gezwungen an – dennoch schön, dass sie es eingesehen haben.

Das Spiel schießt gegen alles und jeden – auch gegen sich selbst. Hier wird uns aber auch ein wertvoller Hinweis gegeben

Auch über diesen Teil könnte ich noch viel mehr Worte verlieren – hier möchte ich allerdings nicht allzu sehr spoilern. Ich empfehle den dritten Teil jedem, der ihn noch nicht gespielt hat. Wenn man Runaway eins und zwei gespielt hat, ist er ein muss – ansonsten könnten einem einige Witze und zusammenhänge entgehen. Aber auch alleine sollte man viel Spaß damit haben können.

Kulturell darf man hier aber auch nicht allzu viel Sensitivität erwarten

Insgesamt ist die Reihe ein wilder Ritt gewesen. Teil eins und drei sind definitiv spielenswert, Teil zwei… ist halt da. Schade, dass man sich so einen Fehltritt geleistet hat, aber inzwischen nicht mehr zu ändern. Wir zumindest haben die Reihe beendet und wurden insgesamt nicht enttäuscht. Weitere Spiele von Pendulo, wie z.B. „Yesterday“, sind auf jeden Fall noch auf meiner Liste.

Was denkt ihr über die Reihe? Habt ihr sie selber gespielt oder wollt es noch tun? Wie hat euch der Stream gefallen? Diskutiert mit und lasst es mich definitiv auf Discord wissen!