Die längste aller Reisen – Teil II

Im letzten Artikel haben wir über den ersten Teil der „The Longest Journey“-Reihe gesprochen, heute geht es nun um Teil zwei. „Dreamfall: The Longest Journey“ zeigt zwar keinen besonderen Einfallsreichtum beim Titel, aber darum geht es ja auch nicht. Wir beschäftigen uns heute mit der Story und mit dem Wechsel des Genres – und damit, wie ich es fand.

Zuallererst das wichtigste: „The Longest Journey“ schließt eine sehr interessante Story über das Gleichgewicht zweier Welten ab und hinterlässt uns ohne größere Probleme, die es jetzt noch zu lösen gilt – zumindest das Gleichgewicht betreffend. Daher geht es im zweiten Teil auch kaum um diesen Aspekt des Universums.

Man kommt trotzdem oft an Orte, die man aus dem ersten Teil kennt

Stattdessen beschäftigen wir uns mit einem anderen Problem: wir liegen im Koma. Also nicht wir, sondern unsere Protagonistin, Zoë Castillo. Das Spiel startet am Ende und erzählt uns dann, wie es dazu kam: Zoë ist nach einem abgebrochenen Studium und einer gescheiterten Beziehung wieder zurück zu Ihrem Vater nach Casablanca gezogen und lebt nun mehr oder weniger in den Tag hinein – all das ändert sich jedoch, als ihr Exfreund sie anruft und um einen Gefallen bittet.

Wir leben nicht gerade in Armut

Reza ist Investigativreporter und anscheinend einer großen Sache auf der Spur – so groß, dass er nur uns ein spezielles Paket anvertraut, welches wir in einer Firma abgeben sollen. Und von dort an nimmt die Story richtig Fahrt auf.

Alles in allem ist das nicht der originellste aller Anfänge, und viele Storyentwicklungen sind recht vorhersehbar. Natürlich verschwindet Reza auf unerklärliche Weise, natürlich sind die Behörden hinter uns her und wir müssen eine riesige Verschwörung aufdecken, in dessen Zentrum eine neue Technik der Unterhaltungselektronik steht. Allerdings empfand ich das insgesamt als sehr unterhaltsam und nicht als negativ – es mag nichts wirklich neu erfunden haben, allerdings war die Story im Kontext der Welten und der umfangreichen Geschichte, die wir noch aus dem ersten Teil kannten, trotzdem sehr spannend.

Man trifft auch einige bekannte Gesichter wieder

Ich möchte nicht allzu sehr auf die Story eingehen, es gab jedoch eine Sache, die mich ein wenig gewundert hat. Das „Big Picture“ fand ich sehr gut erzählt – im Zentrum steht dabei die Kraft der Träume (daher auch „Dreamfall“) und die Auswirkungen auf die Welt, wenn man diese Kraft nicht ernst nimmt. Es fügt sich sehr gut in die bisherige Geschichte ein und ist in sich auch sehr schlüssig. Allerdings gibt es sehr viele Ungereimtheiten bei den Kleinigkeiten, die eigentlich gar nichts mit der Story so richtig zu tun haben.

Ein Beispiel: Zoë hat sich von Reza getrennt, weil die Entfernung zwischen den beiden zu groß war und sie deshalb nicht bereit war, schon den nächsten Schritt zu gehen. Gleichzeitig bricht sie aber ihr Studium ab und zieht in ein Haus, dass nur zwei Querstraßen von seinem entfernt ist – das ist ihr dann aber auch wieder zu nahe. Oder ein anderes Beispiel: sie vermisste ihre Freunde in Casablanca, weil sie in Kappstadt studiert hat und sie somit nicht so oft sehen konnte. Kurz danach, als sie in Casablanca lebt denkt sie darüber nach, doch mal wieder ihre Studienfreunde in Kappstadt zu besuchen – die fortschrittlichen Fortbewegungsmittel machen das schließlich innerhalb weniger Minuten möglich – was denn nun?

Manchmal wurde die Story auch einfach nur etwas faul – wie bei diesem Händler

Insgesamt fand ich diese Fehler allerdings nicht schlimm. Sie haben die Story an sich nicht beeinträchtigt – ich fand es aber seltsam, dass man nach so einer epischen Geschichte nicht einen besseren Grund findet, warum sie sich von Reza trennt oder wieso sie ihr Studium hinschmeißt. Kein Beinbruch, aber etwas merkwürdig.

Die Story endet mit einem Cliffhanger, der im nächsten Teil weitergeführt wird – daher an dieser Stelle keine weiteren Details. Ich möchte nur noch einmal betonen, wie gut ich die Story insgesamt fand – man hat sich große Ziele gesteckt und meines Erachtens alle erreicht.

Es gibt aber noch einen anderen Punkt, den ich ansprechen möchte: den Wechsel des Genres. Wie so viele Spiele zu der Zeit war Point & Click anscheinend nicht mehr cool genug und es musste ein 3D-Adventure-Spiel werden (andere Beispiele für diese Entwicklung sind Baphomets Fluch und Syberia). Daher wandelte sich die Steuerung und wir haben Zoë mit dem Controller direkt gesteuert. Es gab ein „Kampfsystem“ (sehr rudimentär, kaum der Rede wert, aber auch selten genug genutzt) und die Rätsel erforderten seltener das Kombinieren von Gegenständen im Inventar – fast ausschließlich das Nutzen der Gegenstände in der Umgebung.

Das Tutorial war der umfangreichste Part, wo man Kämpfen musste

Zu dieser Entwicklung bin ich Zwiegespalten. Auf der einen Seite empfand ich es als Erleichterung, da man sich besser auf die doch sehr komplexe Story konzentrieren konnte – auf der anderen Seite gestalteten sich manche Abschnitte eher als Walking-Simulator mit sehr vielen Filmsequenzen dazwischen. Da fehlte manchmal ein bisschen die Abwechslung.

Mich persönlich stört das nicht allzu sehr, da wie schon im letzten Post erwähnt die Story mich vollständig gepackt und begeistert hat – daher wollte ich auch so viel wie möglich von der Story erleben, und die Filmsequenzen haben das sehr gut rübergebracht. Für den Stream und für manch anderen Spieler kann es aber eine andere Erfahrung sein.

Eine weitere Neuerung, die ich sehr gut fand: man konnte dieses Mal drei verschiedene Personen spielen (nicht frei, es wurde nach jedem Abschnitt automatisch gewechselt). Dies hat dazu geführt, dass man sehr unterschiedliche Perspektiven auf das Geschehen bekommen konnte – welche das sind, verrate ich an dieser Stelle nicht.

Wer ist dieser Apostel? Und warum ist er ich?

Ein kurzer Absatz zur Technik: es lief. Wir haben es auf dem PC gespielt und hatten keine Abstürze. Es lief flüssig, die Steuerung war präzise und die Grafik hat sich in den knapp sieben Jahren zwischen den Spielen deutlich verbessert – es war sehr schön anzuschauen.

Was ist also mein Fazit? Ich war begeistert! Das Spiel ist ein würdiger Nachfolger eines so umfangreichen Spiels wie „The Longest Journey“. Es hat die komplexe Welt genommen und neue Geschichten darin erzählt, ohne den Bezug zum ersten Teil zu verlieren. Es hat mich an der ein oder anderen Stelle überrascht, hauptsächlich jedoch meine Neugier über die Welten des Universums befriedigt – bleiben wir also gespannt, ob der letzte Teil da mithalten kann.

Wie fandet ihr das Spiel? Mochtet ihr es, war es spannend anzuschauen oder fandet ihr es nicht gut? Habt ihr es vielleicht selbst gespielt? Diskutiert gerne auf Discord mit!