Das Wandern ist des Ninos Lust

Ich sage es nicht zum ersten Mal, und vermutlich auch nicht zum letzten Mal: gute VR Spiele zu finden ist schwer. Seit dem großen Hype von vor einigen Jahren ist es zwar nicht völlig still in diesem Genre geworden, allerdings beschränken sich die meisten neuen Spiele eher auf die Gelegenheitsspieler. „Wanderer“ scheint endlich mal wieder eine willkommene Abwechslung zu sein – oder?

Der erste Gedanke, der mir beim Einstieg in dieses Spiel kam, war: „Das sieht ja aus wie Alyx“ – das war das letzte große Story-Game, dass wir in VR gespielt haben. Viele Elemente wirkten auf den ersten Blick gleich; der Grafikstil, die visuellen Marker für Objekte, mit denen wir interagieren können, und teilweise sogar das ganze Setting lösten bei mir ein Déjà vu aus. Die Stadt, in der wir starten, ist zerfallen, teilweise unter Wasser und von Pflanzen und Ranken eingenommen. In Half-Life war sie zwar größtenteils intakt, die Atmosphäre erinnert aber stark an dieses andere Meisterwerk.

Bezugsfertig, 800 Euro kalt

Die Steuerung ist zwar auch recht ähnlich, aber das ist nichts besonderes – in VR werden alle Spiele relativ gleich gesteuert, man ist ironischerweise durch große Freiheit der Bewegung in seiner Experimentierfreude stark eingeschränkt – es würde halt einfach keinen Sinn ergeben, wenn man Objekte nicht mit der Hand aufhebt oder sich durchs Umherlaufen bewegen kann. Die besondere Ähnlichkeit zu Half-Life ergibt sich wie bereits erwähnt durch die visuellen Marker und die Fähigkeit, entfernte Objekte zu sich zu ziehen – hier allerdings auch ohne die typische Handbewegung möglich.

Doch worum geht es jetzt überhaupt? Bevor ich das verrate, möchte ich eine Spoilerwarnung aussprechen – ich versuche wie immer, so wenig wie möglich von der Story zu verraten, allerdings ist das hier kaum möglich. Daher stoppt hier, wenn ihr das Spiel selbst noch ohne jedes Vorwissen spielen wollt.

Irgendeine „Amelia“ aus der Vergangenheit scheint wichtig zu sein

So, nun zur Story: wir sind Asher Neumann und suchen zu Beginn des Spiels die Wohnung unseres Großvaters. Dieser hat uns kryptische Nachrichten hinterlassen, um uns dorthin zu locken – durch den Prolog wissen wir auch schon das ein oder andere über unseren Opa, dies lasse ich hier jetzt jedoch aus.

Der Weg zum Apartment dient dem Spiel als eine Art Tutorial. Wir lernen die wichtigsten Mechaniken und Steuerungselemente kennen. All das ist in eine wunderschöne Umgebung verpackt, durch die wir gemütlich mit einem Boot schippern. Besonders begeistert daran hat mich, dass mir das Tutorial-Element während des Spielens gar nicht aufgefallen ist, es wurde mir erst im Nachhinein klar. Das ist definitiv eine der besten Integrationen in ein Spiel, die ich je gesehen habe!

Für die Waffen brauche ich nie ein Tutorial

Angekommen an unserem Ziel lernen wir auch noch ein paar Simple Rätselmechaniken kennen, mit der wir uns schlussendlich Zutritt zur Wohnung verschaffen. Dort geht das Spiel dann richtig los.

Die Wohnung dient uns dabei als eine Art Zentrale. Von hier aus Reisen wir mit einem speziellen Gerät zu verschiedenen historischen Ereignissen. Es stellt sich nämlich heraus, dass unsere Welt gar nicht so sein sollte, wie sie ist; jemand hat an den wichtigen Wendepunkten in der Geschichte herumgepfuscht und dafür gesorgt, dass vieles anders läuft – unser Job ist es jetzt, das zu korrigieren.

Das ganze Läuft dabei immer relativ ähnlich ab: wir landen in einem der Ereignisse und kontrollieren eine der beteiligten Personen. Nun müssen wir herausfinden, wo etwas manipuliert wurde und wie wir das wieder in Ordnung bringen können. Dabei finden wir dann immer auch besondere Gegenstände, die uns als Schlüssel für ein neues Ereignis dienen, zu dem wir Reisen können. So finden wir nach und nach alle Wendepunkte, die es zu korrigieren gilt.

Manchmal sind auch zwei Personen beteiligt, zwischen denen wir wechseln können

Das Korrigieren der Ereignisse erinnert dabei immer ein bisschen an ein Point & Click Adventure – es gibt keinen geraden weg. Die Lösungen sind immer durchaus anspruchsvolle Rätsel, die verschiedene Gegenstände erfordern; diese Gegenstände können dabei aus der entsprechenden Zeitlinie stammen, aus der Wohnung unseres Großvaters oder aus einer ganz anderen Linie. Somit sind die Ereignisse keine von sich abgeschotteten Level, sondern es besteht ein komplexer (wenn auch manchmal recht seltsamer) Zusammenhang. Die Rätsel sind dabei aber nie so kompliziert gedacht, dass man gar nicht darauf kommen kann – wenn doch, kann man aber auch Tipps bekommen.

Während unserer Reisen durch die Zeit finden wir auch immer mehr Hinweise darauf, wieso diese Ereignisse verändert wurden. Wir finden Notizen und Filmaufnahmen, oft in Form von VHS-Kassetten, die wir in der Wohnung abspielen können, die uns mehr Hintergrundinformationen verraten – dazu schreibe ich an dieser Stelle aber nichts. Einzig folgendes: das Spiel endet mit einem Cliffhanger, alles weiß ich also auch noch nicht.

Manchmal ist es auch ein Projektor

Verlieren wir noch kurz einen Absatz zum technischen Aspekt des Spiels: es lief. Wir hatten keinerlei Probleme hinsichtlich Bugs oder Abstürzen. Es gab die VR-typischen, aber Spielunabhängigen Probleme, dass die Bandbreite durch ein wohlüberlegtes Update von Steam oder Windows blockiert wurde und es ruckelte, oder die bekannte Motion-Sickness (für mich nicht so schlimm, beim Zuschauen wohl stärker). Alles in allem kann man hier aber nicht meckern.

Doch wie lautet jetzt mein Fazit zu diesem Spiel? Kurzum: ich liebe es! Es ist endlich wieder ein gutes, umfangreiches Storygame für VR geworden, das eine interessante, mystische Story erzählt und einen dabei mit knackigen, aber schaffbaren Rätseln fordert. Die Charaktere, denen man begegnet, sind sehr interessant und auch die ausgewählten historischen Ereignisse sind sehr gut gewählt. Es gibt sogar den ein oder anderen Plot Twist, den man so gar nicht kommen sieht, die mich aber absolut begeistert haben!

Tesla darf in keinem Spiel fehlen, wenn Wissenschaft und Mystik verwoben werden

Es gibt nur eine Sache, die ich mir von einem zweiten Teil wünschen würde: mehr Blödsinn. VR lebt definitiv davon, dass man alles anfassen und benutzen kann, und „Half Life: Alyx“ hat das damals sehr gut verstanden – setz dir doch einfach einen Topf als Hut auf, wird Sachen durch die Gegend oder hau drauf, benutze alles als Waffe, was du finden kannst. „Wanderer“ hatte auch solche Elemente und gute Ideen dabei, über mehr davon würde ich mich aber definitiv freuen!

Ich freue mich sehr auf den zweiten Teil und hoffe, dass er dem ersten gerecht wird – die bisher erzählte Story hat ein passendes, episches Ende verdient. Ich bin gespannt auf neue Rätsel und neue Ereignisse, die wir geschehen lassen müssen – und auf die Bösewichte, die mit der Vergangenheit Unfug treiben.

Es gibt zwar Minispiele wie Darts – diese sind aber auch immer storyrelevant

Wie fandet ihr das Spiel? Hat es euch gefallen oder wollt ihr es selbst noch spielen? Mögt ihr VR-Streams oder könnt ihr bei dem Gewackel nicht gut zuschauen? Diskutiert auf Discord mit!