Der wandelnde Nino

Ich rede gar nicht lange um den heißen Brei herum: heute sprechen wir über das mit Abstand wohl schlechteste Spiel, das ich je gestreamt habe. Wer also eine ausgeglichene Bewertung mit positiven und negativen Punkten erwartet, sollte wieder gehen. Was genau mich an „The Walking Dead: The Telltale Definitive Edition“ so aufregt, lest ihr hier.

Zuerst aber ein kleines bisschen über den Hintergrund, damit ihr wisst, woher ich komme. Als erstes möchte ich sagen, dass ich mit dem Franchise an sich kein Problem habe – ich habe zwei Folgen „The Walking Dead“ geschaut, es war nicht so meins, mehr nicht. Ich hege keinen Groll gegen die Story, die Charaktere, die Schauspieler – es war mir bisher ehrlich gesagt einfach egal.

Am Ende hegte ich sehr großen Groll

Was ich definitiv hasse, sind schludrig umgesetzte Videospiele. Vor allem mit den Spielen, in denen „Jede Entscheidung zählt“ habe ich so meine Vergangenheit – jeder von euch hat mindestens einmal meine Schimpftirade über „Life Is Strange“ gehört. Da das letzte Telltale-Spiel „The Wolf Among Us“ aber sehr positiv herausstach, waren meine Erwartungen an „The Walking Dead“ groß – selbst ohne die Hintergründe sollte es doch eine gute Erfahrung werden, oder?

Doch jetzt beginnt der Teil, der etwas unschön ist. Denn um es kurz zu machen: es gibt keinen einzigen Aspekt an diesem Spiel, den ich gut finde. Was mich dabei besonders nervt ist die Tatsache, dass es den Entwicklern (oder wer auch immer diese Entscheidungen traf) anscheinend einfach egal war, wie viele Punkte an diesem Spiel objektiv und offensichtlich schlecht sind. Es will mir einfach nicht in den Kopf, wie so etwas bei einer „Definitiv Edition“ passieren kann – es wurde ja anscheinend sogar ein zweites Mal drauf geschaut.

Die seltsamen Symbole tauchten mal weniger, mal öfter auf

Fangen wir also an, und das mit meinem Lieblingsthema – Untertitel und Übersetzungen. Wie immer ließ ich die Sprachausgabe auf Englisch und aktivierte die deutschen Untertitel. Direkt zu Anfang fielen dabei die fehlerhaften Symbole auf – Kästchen mitten im Satz, die an zufälligen Stellen auftauchten. Damit war klar – niemand hatte das Spiel mit Untertiteln auch nur fünf Minuten gespielt, um es mal zu prüfen. Kein perfekter Start, aber gut.

Leider lies auch die Qualität der Untertitel stark zu wünschen übrig. Wenngleich die Rechtschreibung durchweg richtig war, waren die Übersetzungen oft nicht nur ungenau, sondern schlichtweg falsch – und das teilweise extrem. In einer Szene schauen zwei Charaktere auf ein Haus mit zugenagelten Fenstern und einer spricht in diesem Zusammenhang davon, wie jemand „gebummst wurde“ – meine Interpretation ist, dass das englische Wort „fortify“ (verstärken, verschanzen) mit „fornicate“ (umgangssprachlich für „Sex haben“) verwechselt wurde. Dies mag in Einzelfällen lustig sein, es kam jedoch ständig vor, sodass viele Sätze einfach keinen Sinn ergaben und man immer auf die englischen Stimmen hören musste, um die Story zu verstehen.

Ach ja, die Story – ein anderes Ziel meines Hasses gegen dieses Spiel. Vom Setting her ein klassisches Zombie-Spiel: wir sind erwachsen, wir finden ein Kind und wir bringen es dorthin, wo wir seine Eltern vermuten. Wir treffen auf dem Weg verschiedene Leute, die uns manchmal helfen, manchmal böses im Sinn haben. Wir haben natürlich eine dunkle Vergangenheit die uns hier und da zum Verhängnis werden kann – insgesamt nichts gutes und nichts schlechtes.

Die Plot-Twists riecht man meilenweit gegen den Wind, das an sich ist aber okay

Viel interessanter dabei sind natürlich die Entscheidungen, die wir treffen können. Diese Beeinflussen nicht nur direkt unsere Handlungen, sondern auch die Meinung, die andere von uns haben – eine vielversprechende Mechanik. Leider wird diese völlig unterwandert und obsolet gemacht durch den Fakt, dass sie an allen wichtigen Punkten vollständig ignoriert wird. Während ich „The Wolf Among Us“ dafür gefeiert habe, dass alle Entscheidungen sogar in der letzten Szene noch Auswirkungen haben, sind diese Auswirkungen in diesem Spiel gleich null.

In Entscheidungssituationen (wir entscheiden A aber es wird B) haben wir das recht häufig. Beispielswiese müssen wir an einer Stelle entscheiden, ob wir eine Frau zum Sterben zurücklassen oder mitnehmen – entscheiden wir uns jedoch für die Mitnahme, wird sie noch in der gleichen Szene erschossen, weil sie nicht weiter eingeplant ist. Aber auch das Beziehungssystem wird ignoriert: wir bauen das ganze Spiel über eine enge Bindung zu Clementine (das Mädchen, das wir begleiten) auf. Sie vertraut uns und wir sprechen immer wieder davon, dass wir sie zu ihren Eltern bringen – sie hat keinen Grund, uns nicht zu glauben.

Tatsächlich gibt es sehr schöne Szenen, die unsere Bindung verdeutlichen. Hier merkt man auch, wie sehr sie uns eigentlich vertraut

Oh, Plot-Twist: sie hat uns die ganze Zeit verheimlicht, dass jemand fremdes mit ihr über Ihr Funkgerät spricht. Natürlich glaubt sie diesem absolut Fremden sofort und läuft weg – ist doch klar. Zwar gibt es einen kurzen Konflikt vor dieser Stelle, der wirkt aber sehr erzwungen und passt so gar nicht in den Rest der Story. Man merkt direkt, dass das Spiel nur eine Richtung kennt, und diese bei „falschen“ Entscheidungen unsererseits vorher einfach stumpf erzwingt. Das hat mich sehr enttäuscht und zeigt meiner Meinung nach, dass hier nur auf den Hype dieses Genres aufgesprungen wurde, ohne darüber nachzudenken, wie man das umsetzt.

Man weiß hier schon, dass sie etwas dummes tun wird – und es nervt, weil es keinen Sinn ergibt

Es fühlt sich alles sehr danach an, das eine viel zu lineare Story geschrieben wurde, die keinen Platz für Variationen bietet – somit funktioniert die Entscheidungsmechanik eben auch nicht, weil jede Entscheidung zum selben Ergebnis führen muss. Doch selbst diese lineare Story ergibt keinen Sinn.

Dies fällt einem direkt in den ersten 20 bis 30 Minuten auf. In diesen haben wir als Protagonist einen Autounfall, flüchten in eine Siedlung, finden dort Clementine und reisen mit ihr los – soweit, so gut. Bei dem Unfall verletzen wir allerdings unser Bein, und das nicht zu knapp: die ersten paar Meter können wir nur kriechen, danach stützen wir uns auf ein Gewehr. Es wird immer wieder betont, wie starke Schmerzen wir haben.

Als Einstieg eigentlich stabil

Kurz darauf schieben wir ein Auto aus der Ausfahrt. Nicht, weil uns die Angst und der Schmerz dazu zwingen – es verfolgt uns in diesem Moment keiner. Sondern weil es halt da weg muss. Wir belasten dabei ohne Probleme unser Bein – so eine tiefe Schnittwunde kann man ja schon mal vergessen. Kurze Zeit später, als wir an einer Farm ankommen, muss die Wunde aber direkt verarztet werden und wir humpeln auch wieder schön brav.

Ansonsten haben wir die klassischen Elemente, die eine Story so richtig gut machen – Leute schreien herum und locken Zombies an, wenn sie uns zwei Minuten vorher eindringlich gesagt haben, wie leise wir sein müssen. Leute nehmen einfach die Blockade aus einer Tür, gegen die Sekunden vorher noch dutzende Zombies geschlagen haben, weil das konnte ja keiner ahnen das die zurückkommen (waren wohl kurz alle zur Toilette). Einer der Charaktere hat ein Herzproblem und entscheidet sich immer genau in den richtigen Momenten, absolut cholerisch zu werden und einen Herzanfall zu bekommen – dem schlagen wir später allerdings den Kopf ein (und das nicht ganz ohne Genugtuung).

Aber genug des Sarkasmus: die Story und die Charaktere sind geschrieben, damit man sie hasst. Ich weiß nicht ob es ein Stilmittel sein soll oder ob die Serie genau so stumpf geschrieben ist, aber man würde am liebsten einfach umdrehen und alleine weitergehen – schlimmer als mit den anderen kann es nicht sein. Da das aber nicht geht, habe ich das Spiel schließlich nach der vierten Episode abgebrochen (die Stelle, wo Clementine abhaut) – es wurde mir einfach zu viel.

Kenny ist der einzige, den man nicht direkt hasst – seinen Sohn schon

Zu den sonstigen Punkten sage ich nicht viel – es war okay, wenig Bugs, Steuerung ging.

Alles in allem kann ich eines sagen: ich hätte nicht erwartet, wie schlecht ein Videospiel sein kann. Die von mir genannten Punkte decken nicht einmal alles ab, was mich aufgeregt hat, aber irgendwann muss man auch mal einen Schlussstrich ziehen. Was mich aber vor allem gewundert hat: das Spiel ist auf Steam mit „Äußerst Positiv“ bewertet – ich verstehe es absolut nicht, aber ich versuche es auch nicht. Ich denke die von mir genannten Punkte sind nachvollziehbar (und wenn ihr das Geld ausgeben wollt auch prüfbar), daher wüsste ich nicht, wie ein Mensch auf eine positive Bewertung kommt. Aber das ist mir an diesem Punkt auch einfach egal.

Wie fandet ihr das Spiel? Könnt ihr meine Kritik verstehen, empfandet ihr das Spiel genau so oder seht ihr das vielleicht komplett anders? Diskutiert gerne auf Discord mit!