Über den Horizont blicken

Ich habe schon im Artikel zu „Justin Wack“ erwähnt, dass wir in letzter Zeit mehrere Spiele aus dem Genre der Point & Click – Klassiker gespielt haben. Der Selling-Point dabei ist (neben dem schamlosen Ausnutzen verklärter Erinnerungen an alte Zeiten), das man den genialen Humor, die innovativen Rätsel und das gute Storytelling der damaligen Meisterwerke wieder hervorholt. Ob und wie das dem heutigen Spiel „Beyond the Edge of Owlsgard“ gelingt, lest ihr hier.

Gehen wir zuerst einmal auf das Grundlegende ein. Während „Justin Wack“ sich eher als Weiterentwicklung sieht, die die klassischen Elemente der damaligen Spiele aufgreift, geht der heutige Titel sogar noch weiter und versucht grundsätzlich, das Gefühl der Klassiker nachzumachen: das untere Drittel des Bildschirmes bilden unser Inventar und die Steuerungsbefehle und es kommt alles in recht pixeliger Grafik daher. Einzig der Sound hat ein Upgrade bekommen, die deutsche Sprachausgabe ist glasklar zu verstehen.

Es fängt ganz beschaulich an

Auch versucht das Spiel, seinen eigenen Humor zu finden. Während „Justin Wack“ einfach inflationären Gebrauch von Referenzen und Andeutungen macht, gibt es diese in diesem Spiel kaum; es wird eher versucht, die alten Prinzipien und die Logik von klassischen Point & Click Adventures auf die eigene Geschichte anzuwenden, was ich sehr gut finde. Hier und da wird natürlich der klassische gesellschaftskritische Kommentar eingeflochten, das allerdings eher nebensächlich und meiner Ansicht nach nicht wirklich konsequent – wenn das Spiel eine übergeordnete Message haben sollte, habe ich sie nicht verstanden.

Technisch gibt es ansonsten kaum Besonderheiten. Ein so leichtgewichtiges Spiel macht kaum Probleme, es gab keine Bugs oder Abstürze. Einzig der Vollbildmodus war recht eigenwillig: standardmäßig startete das Spiel als Fenster, im Vollbildmodus blieb die Größe dann relativ gleich (auch aufgrund der Auflösungen der alten Spiele), war aber nicht zentriert. Das hat mich einige Nerven gekostet, am Ende bekam ich es nicht gelöst und es verblieb halt mittig links oben auf dem Bildschirm – für ein Spiel von Ende 2022 auf jeden Fall ein wenig seltsam.

In den Dialogen gab es immer einen schwarzen Rand – nicht schön, aber eben typisch

Die Story des Spieles ist für diesen Post eigentlich irrelevant. Sie ist relativ schwer zu beschreiben, ohne zu spoilern, daher belasse ich es hierbei: wir sind ein junges Reh, kommen nach Hause zu unseren Eltern und diese sind plötzlich fort – vermutlich entführt. Wir versuchen sie zu retten und entdecken dabei ein viel größeres Problem, das wir lösen müssen – die Prämisse war nichts besonderes, aber definitiv auch kein schlechter Einstieg. Ich war definitiv erst einmal interessiert.

Die anfänglichen Rätsel und Storyelemente waren gut – mehr kann ich dazu nicht sagen. Nicht schlecht, nicht nur mittelmäßig, aber auch nicht überragend. Es gab ein oder zwei Rätsel, die sich mir nicht sofort erschlossen, und teilweise eine seltsame Lösung erforderten, alles in allem war ich aber durchaus begeistert. Es muss nicht jedes Mal ein Meisterwerk sein, dieses Spiel schien mir aber auf jeden Fall in den oberen Rängen mitzumischen.

Hieran habe ich eine Weile gesessen – weil man für die Lösung an einer bestimmten Stelle stehen muss

Leider änderte sich meine Meinung relativ schnell, als wir den dritten und insbesondere den vierten Akt spielten. Die Story litt hier auch an einigen Stellen, aber vor allem die Rätsel wurden immer frustrierender und unlogischer. Ich sage es oft, und ich habe es auch im Stream mehrmals erwähnt – die Logik von Point & Click Adventures ist eigenwillig, aber immer nachvollziehbar, wenn man um die Ecke denkt oder Dinge wörtlich nimmt und danach handelt. Hier war dies leider nicht der Fall.

Ein Beispiel: wenn man mit dem Cursor über Objekte fuhr, wurde unten in der Leiste eine entsprechende Aktion angedeutet – meistens direkt die passende. Nimm einen Kiesel, drücke einen Schalter, und so weiter. Es wurde immer angezeigt, was für ein Objekt es ist. Ab einem bestimmten Punkt im Spiel änderte sich dies aber – Objekte, die nicht als solche markiert wurden, mussten plötzlich angeklickt werden. Es gab keinerlei Indikation dafür, für mich sah es aus wie reiner Hintergrund. Und da es in den ersten beiden Akten kein einziges Beispiel dafür gab, kam ich hier auch erst durch die Lösung drauf – das empfand ich als sehr frustrierend, da hier (ich kann es mir nicht anders als durch Absicht erklären) definitiv Spielzeit geschunden wurde, die nur auf der Verwirrung des Spielers basierte.

Gerade der vierte Akt war eine Katastrophe

Ein anderes Beispiel waren überall klickbare Objekte. Nehmen wir Steine: fast überall konnte man Steine anklicken und mit diversen Objekten benutzen, was immer mit sinngemäß „das ist nur ein Stein“ kommentiert wurde. Dies führte logischerweise dazu, dass man nach dem zwanzigsten Stein diese einfach ignorierte – aber eben auch zu einem Problem, als es einen bestimmten Stein gab, der in keiner Weise anders aussah, aber eben eine wichtige Funktion aktivierte. Auch hier kenne ich keine andere Begründung als Zeit zu schinden, um mir diese Design-Entscheidung zu erklären.

Es gab noch einige andere Punkte, die mich mindestens irritierten, an einigen Stellen aber auch einfach nur noch nervten. Zum Ende hin spielten wir nur noch mit der Lösung, weil mir die Rätsel zu unlogisch wurden. Das empfand ich als sehr schade, denn grade in den ersten beiden Akten sah ich eigentlich ein großes Potential in dem Spiel – wieso es nach ungefähr der Hälfte so bergab ging, kann ich mir nicht erklären.

Oh, noch ein Stein

Das Spiel hat zum Zeitpunkt dieses Posts 133 Reviews, und davon nur zwei negative. Einen davon möchte ich besonders herausstellen: Review Diese Person bringt es meines Erachtens genau auf den Punkt – einzig die schlechte englische Übersetzung kann ich nicht bestätigen, da ich das Spiel auf Deutsch gespielt habe.

Insgesamt bin ich von dem Spiel eher enttäuscht. Es scheint mir, als würden sich einige Entwickler auf dem Siegel „genau wie die Meisterwerke früher“ ausruhen und auf die Gunst der Leute hoffen, die beim Anblick der Aktionsknöpfe und eines Kreuzes als Cursor ausreichend starke Nostalgie empfinden, um über die Schwächen hinweggetäuscht zu werden. Lässt man diese Aspekte nämlich weg, hat man nur noch ein mittelmäßiges, zum Ende hin schwächelndes Point & Click Adventure vor sich, was man sonst einfach ignorieren würde. Ich empfehle es daher nicht.

Wie fandet ihr das Spiel? Könnt ihr meine Kritik verstehen oder seid ihr große Fans? Habt ihr es selbst gespielt? Diskutiert gerne auf Discord mit!